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Ständig soll man loslassen...

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Oft wird der Herbst mit dem Wort Loslassen verbunden. Die fallenden Blätter und das Zurückziehen der Natur soll uns dazu einladen, auch selbst loszulassen. Und doch ertappe ich mich dabei, dass ich dieses Wort kaum mehr hören mag. Seit einigen Jahren wurde es in so vielen Zusammenhängen immer wieder gesagt, so dass es für mich seine Kraft verloren hat. Der Herbst ist für mich so viel mehr. Er erzählt Geschichten von Fülle, Dankbarkeit, Klarheit und Geborgenheit.


Bevor die Natur in den Winterschlaf geht, zeigt sie sich in ihrer ganzen Pracht. Überall finden wir reife Früchte, Nüsse, Kräuter und Gemüse. Ein ganzer Schatz an Farben und Düften begleitet uns. Der Herbst erinnert mich daran, innezuhalten und zu sehen, was im vergangenen Jahr alles gewachsen ist. Dabei geht es nicht nur um den Garten, sondern auch um mich. Was durfte reifen, welche Träume haben Gestalt angenommen, welche Begegnungen haben mein Leben bereichert?


Die bunten Blätter sind für mich ein Symbol der Verwandlung. Es ist, als würden sie ein letztes Mal in allen Farben leuchten, bevor sie zu Boden sinken. Vielleicht geht es im Herbst weniger darum, etwas wegzugeben, als vielmehr darum, die Schönheit der Veränderung zu erkennen. Sich daran zu erinnern, dass jeder Zyklus seinen Zauber hat und dass Verwandlung nicht traurig sein muss, sondern leuchtend schön sein kann.


Die klare, frische Herbstluft schenkt mir jedes Jahr ein Gefühl von Aufgeräumtsein. Sie macht den Kopf frei, bringt Struktur und lässt mich neu sortieren. Im Herbst spüre ich oft den Impuls, Ordnung zu schaffen. Ordnung in meinen Gedanken, in meinen Projekten aber vor allem auch in meinem Zuhause. Es ist weniger ein „Loslassen“ als vielmehr ein Ausrichten, indem ich erkenne, was mir wichtig ist, was bleiben darf, und wie ich die kommenden Monate gestalten möchte.


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Und dann ist da noch die vielleicht schönste Seite des Herbstes, nämlich die Gemütlichkeit. Wenn die Tage kürzer und die Abende länger werden, entsteht eine ganz besondere Qualität von Geborgenheit. Ich liebe es, Kerzen anzuzünden und den Duft von Kräutern auf dem Räucherstövchen in der Wohnung zu verteilen. Dann setze ich mich in die warme Ecke beim grossen Kachelofen, die Füsse in Kirschkernkissen eingebettet und versinke in ein Buch. Das sind meine Lieblingsabende und -Sonntage. Es ist, als ob der Herbst uns sanft nach Hause führt, nicht nur in unsere vier Wände, sondern auch in uns selbst. Er lädt uns ein, Räume zu schaffen, die nähren. Wärme, Licht, Düfte, gute Gespräche und Ruhe. Es ist die Zeit, in der wir wieder spüren dürfen, was uns selbst gerade besonders gut tut und dies dann auch umsetzen.


Für mich bedeutet der Herbst also nicht nur Loslassen. Er bedeutet Fülle spüren, Verwandlung feiern, Klarheit gewinnen und Geborgenheit geniessen. Er ist eine Jahreszeit, die uns reich beschenkt und uns gleichzeitig lehrt, wie schön es ist, ganz bei uns anzukommen. Denn manchmal geht es nicht darum, etwas loszulassen, sondern alles, was da ist, in seiner ganzen Fülle zu umarmen.



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