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Wo Feuer und Liebe sich begegnen

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Vor über einem Jahr erreichte mich die Anfrage eines Paares, das an Samhain heiraten wollte. Sie wünschten sich, dass ich ihre Hochzeit fotografisch begleite. Schon damals war mir jedoch klar, dass sich dieser Weg für mich geschlossen hatte. Die Kamera, einst mein Tor zu besonderen Momenten, fühlte sich plötzlich wie eine Grenze an. Ich ermunterte das Paar, doch jemanden anderen zu suchen, der ihre Hochzeit in Bildern festhalten würde, und sagte ihnen, dass ich mir den Tag dennoch für sie zwei reserviere. Vielleicht würde sich ja was anderes ergeben.

Und genau das tat ich dann. Ich liess den Tag offen, hielt ihn frei, ohne zu wissen, wofür.


Im Frühling meldeten sie sich erneut. Sie erzählten, dass sie keinen anderen Fotografen gebucht hätten, weil sie sich einfach niemand anderen an ihrer Seite vorstellen konnten. Ich bat sie, sich im Spätsommer wieder zu melden, wenn sie genauere Vorstellungen von ihrem Tag hätten.


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Anfangs September kamen die beiden vorbei und erzählten, dass ihre Ringe mit Runen graviert seien und dass es für sie eine tiefere Bedeutung habe, an Samhain zu heiraten. Der Wunsch nach Fotos war verschwunden. Stattdessen wuchs in ihnen der Wunsch nach einem gemeinsamen Ritual. Etwas Eigenem, das sie in ihrer Tiefe verbindet. Eine Räuchermischung und ein Feuer, das ihre Ringe segnet und ihren Neubeginn trägt.


So entstand langsam ein neues Bild. Kein durchgeplantes Konzept, keine grossen Worte, nur die Absicht, einen Moment zu gestalten, der ganz aus dem Herzen kommt.

Ihre Ringe trugen sechs Runen. Jede ein Symbol, ein Wegweiser und ein Schutz. Ich malte diese Zeichen auf kleine Birkenringe, als Spiegel und Verstärkung dessen, was sie trugen. Die Birke, Baum des Neubeginns und des Lichts nach der Dunkelheit, schien für diesen Tag wie geschaffen.


An Samhain war ich zunächst einfach nur kribbelig. Ich bin keine Ritualleiterin und sehe mich auch nicht in dieser Rolle. Und dennoch freute ich mich sehr auf die beiden. Das Wetter war wunderschön, sonnig, aber herbstlich frisch. Bevor sie kamen, entfachte ich in der Feuerschale das Feuer und bereitete im Chrüterschürli alles für sie vor.

Dann standen sie da. Wunderschön im Brautkleid und Anzug, strahlend, freudig und, genau wie ich, ein wenig aufgeregt. Mit allen Sinnen tauchten sie ein in die Welt der rund 120 Gläser voller Räucherpflanzen, Wurzeln und Harze. Eine wunderbare Räuchermischung entstand, die sie auf die heisse Kohle legten, während sie andächtig ihre Ringe segneten. Während der Duft der Räuchermischung noch im Raum schwebte, schrieben sie Worte der Dankbarkeit, der Wertschätzung und Wünsche auf ein Blatt Papier und wickelten es um ein Holzscheit.


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Draussen an der Feuerschale sprach ich über die Bedeutung der sechs Runen. Gemeinsam mit den Holzscheiten übergaben sie auch die Runen dem Feuer. Die Flammen trugen ihre Wünsche empor, der Rauch nahm sie mit und was blieb, war Stille. Diese dichte, ehrliche Stille, die entsteht, wenn etwas wahrhaftig geschieht.

Auch in mir bewegte sich etwas. Während sie sich im Licht des Feuers einander zuwandten, spürte ich, wie sich ein Kreis schloss. Die Zeit des Fotografierens lag endgültig hinter mir. Das Begleiten auf eine neue Weise hatte begonnen.


Samhain ist die Zeit des Loslassens, der Wandlung und des Neubeginns. An diesem Tag durfte ich erleben, wie all das ineinanderfliesst. Wie das Alte sich verneigt, damit das Neue Raum bekommt. Wie Feuer verwandelt, ohne zu zerstören. Ein stiller, kraftvoller Tag. Ein Hochzeitstag und zugleich ein Übergang für uns alle.


Und immer wieder zeigt sich, wie magisch es ist, wenn man einfach einmal den Raum öffnet für etwas, das noch nicht da ist. Wenn man vertraut, ohne zu wissen, wohin es führt. Dann geschieht das, was wahrhaft gemeint ist. Unerwartet und von einer Schönheit, die man nicht planen kann.

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