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Die Sache mit der Ehrlichkeit



Diese Woche hat es definitiv in sich. Und manchmal, wenn da so viele Gedanken sind, kann ich diese mit Schreiben am besten sortieren. Es geht nicht um Kräuter, nicht um den Garten oder ums Räuchern, sondern ums Fotografieren oder besser gesagt, um Ehrlichkeit. Da ich aber im Seelen-Fenster auch Shootings für Seelenbilder anbiete, denke ich, darf ich diesen Gedanken hier einen Platz einräumen.


Angefangen hat es mit einer Anfrage von einer Frau via Kontaktformular meiner Webseite. Sie möchte ein Shooting für sich und ihre zwei Freundinnen buchen. Ein Shooting, in dem Einzelfotos aber auch Fotos zu zweit und zu dritt entstehen sollen. Fotos, die sie privat aber auch für ihr zukünftiges Business und ihre Webseite brauchen dürfen. Also waren da ganz viele Vorstellungen und Wünsche.

Es ist spannend, was bei dieser Anfrage, die ich kurz nach einem Termin auf meinem Natel überflogen habe, bei mir abging. Als erstens weiss ich aus Erfahrung, dass solche Shootings recht chaotisch sein können. Drei Frauen, einmal alleine, dann zu zweit, dann die andere mit dieser und jene wieder alleine. Chaos pur auf der Kamera. Ich sah mich bereits am stundenlangen Sortieren der Fotos, um dann drei Galerien zu machen, jeder Frau ihre eigene Galerie. Und der erste Gedanke war «echt jetzt?»


Der letzte Termin war also vorüber, Zeit für eine Kaffeepause. Ich setzte mich hin, den Kaffee neben mir und ging da mal ein wenig in diese Anfrage rein. Und da kamen mir Bilder, wie ich mit diesen drei mir völlig unbekannten Frauen am Feuer sitze, wie wir plaudern, Tee trinken und wie dazwischen und nebenbei Fotos entstehen würden. Ich spürte, in welchem Bereich die drei Frauen sich selbstständig machen werden und welche Art von Fotos sie sich wünschen. Und ich musste ein wenig lachen, weil ich noch vor einem oder zwei Jahren völlig anders auf diese Anfrage reagiert hätte. Aber heute.... ist eben heute.

Und so setzte ich mich an den PC und schrieb ihr genau das. Ich schrieb ihr, dass ich mir vorstellen könnte, einen halben Tag für sie drei zu reservieren, wir Feuer machen, plaudern, fotografieren und einfach «sein» würden, damit in Fotos eingefangen werden könne, was sich zeigen möchte.

Und ich machte ihr ein Angebot mit einer Bedingung: am Ende würde nur eine einzige Online-Galerie für alle entstehen. Nichts mit stundenlangem Sortieren, und das Shooting darf chaotisch sein.

Das Echo kam bald darauf zurück. Wie schön meine Idee sei, und dass es genau das ist, was sie sich vorstellen würden. Ihre Arbeit sei genau das, was ich beschrieben habe und zwei von ihnen bieten zusammen Feuerkreis-Rituale an. Wie passend also mein Gedanke mit dem Feuer sei.


Hätte ich so reagiert, wie ich früher reagiert hätte, würde es wohl nicht zu einem Termin kommen. Aber ich habe die Frauen wahrgenommen, habe für mich gespürt, was mir bei einem solchen Termin wichtig wäre damit es mir nicht verleidet und habe das so kommuniziert. Ehrlich, pur, klar und alle wissen, was sie erwarten dürfen.


Gestern Abend meldet sich eine Kundin, mit der ich in zwei Wochen ein Shooting geplant habe. Es geht dabei um Fotos für ihre Webseite, die im Aufbau ist. Sie fragt an, wann ich Zeit hätte, um das Shooting zu planen und zu besprechen, damit dann alles in ihr Farbdesign auf der Webseite passen würde.

Uff, bei dieser Anfrage stellten sich meine Nackenhaare. Zum einen habe ich bis mitte Mai eine pumpenvolle Shooting-Agenda und brauche daneben noch Zeit für den Garten, damit mir fürs zweite Geschäft die Kräuter nicht ausgehen. Zum anderen waren es die Worte « planen, strukturieren, besprechen, passend zum Corporate identity», die mir die Luft zum Atmen nahmen.


Ich konnte ganz lange nicht einschlafen, da mir ihre Worte immer durch den Kopf gingen. Und ich spürte auch da, es ist nicht mehr meine Welt. Ich war früher auch genau so unterwegs, habe geplant, brauchte die Struktur und arbeitete vor allem als Kopfmenschen. Das ist nichts schlechtes oder verwerfliches. Es ist einfach nicht mehr mein Leben. Ich fotografiere heute anders. Natürlich habe ich auch «Strukturen», aber eben andere. Ich plane und bespreche nicht stundenlang im voraus, was wir dann wie umsetzen, damit es passen wird. Das engt mich ein, nimmt mir die Luft und so kann ich nicht frei sein und mit dem Herzen fotografieren. Denn heute bin und arbeite ich als puren Herzmenschen.

Und so habe ich ihr heute Morgen gesagt, dass ich denke, wir werden beide nicht glücklich mit einer Zusammenarbeit. Dass meine Art zu fotografieren am Ende wahrscheinlich nicht das ist, was sie sich wünscht und vorstellt.


Wie solche Worte beim Gegenüber ankommen? Sie könnte sich getüpft fühlen, weil ich ihr quasi unterstelle, was sie am Ende fühlen könnte. Sie könnte aber auch sehr erleichtert sein, weil ich mich getraue, ehrlich zu sein und das ausspreche, was sie auch denkt.

Zweiteres ist der Fall. Und sie sagt «gäll das steht nun aber nicht zwischen uns». Und ich bin einfach nur froh, kann sie mit meiner Ehrlichkeit umgehen und logisch, steht es nicht zwischen uns.


Und während ich hier den Blogbeitrag schreibe, kommt eine Anfrage für ein grosses Familien-Shooting. Eltern, ihre drei Töchter mit Anhang und deren vier Kinder. Also zwölf Personen, die Fotos von allen zusammen wünschen, aber jede Familie für sich möchte auch gleich Fotos usw. Und während sie spricht, merke ich, dass auch das nicht mehr meine Welt ist. Ich könnte ja zu diesem lukrativen Auftrag sagen und hätte wieder einen Teil meines Monatlohns drin. Aber ich merke während des Telefonats, wie ich absolut kein Feuer für ein solches Shooting in mir spüre. Und ich bin ehrlich und sage ihr genau das. Wo kein Feuer ist, können auf Fotos keine Emotionen geweckt werden. Aber Fotos leben von Emotionen, von Momenten und Augenblicken, die es für den Fotografen gilt, einzufangen. Ich aber habe nicht mal mehr eine Glut dafür.

Mein Feuer brennt nach wie vor für Porträts, für echte Frauenporträts, für 1:1, Auge-in-Auge-Shootings, nicht aber für solche grossen Gruppen-Shootings.


Wenn man ehrlich zu sich selbst ist, ist das unglaublich befreiend. Und ich bin fest davon überzeugt, dass die Ehrlichkeit sich selbst gegenüber den Weg für anderes bereitet, dass sich andere Türen öffnen. Türen, die man nicht anfassen könnte, weil dahinter ein so grosses Feuer lodert.

Innerhalb drei Tagen hatte ich drei völlig unterschiedliche Anfragen. Und ich war dreimal ganz ehrlich zu mir selbst und dann dem Kunden/Interessenten gegenüber. Alle drei wissen nun ganz genau, was sie von mir erwarten dürfen und erwarten können. Sie wissen aber auch, was für mich nicht (mehr) geht.


Wäre es nicht viel einfacher auf dieser Welt, wenn wir alle ehrlicher wären? Und wäre es nicht viel einfacher, wenn wir die Ehrlichkeit von anderen nicht allzu persönlich nehmen würden? Denn seine Ehrlichkeit hat oftmals nichts mit dir als Menschen zu tun.


Zeigt euch der Welt ehrlich, pur, authentisch. Es wird sooo viel einfacher.


(Und während ich diesen Blogeintrag durchlese, kommt eine weitere Anfrage. Diesmal von einer namhaften, internationalen Firma für Fotos. Ich werde da in den nächsten Minuten mitteilen, dass ich den Auftrag nicht machen werde. Liebes Universum, ich habe verstanden. Es reicht für diese Woche mit vier so verschiedenen Auftragsanfragen, die alle nur eines möchten:

dass ich ehrlich zu mir bin und Aufträge nicht wegen dem Geld/meinem Lohn annehme, sondern nur wenn sie mich im Herzen berühren. DANKE liebes Universum, ich habs kapiert.)

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