Die Mistel – zwischen Dunkelheit und Licht
- Sheila

- vor 2 Tagen
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Still, eigenwillig und irgendwie zwischen den Welten schwebt die Mistel. Vielleicht hast du sie auch schon gesehen, hoch oben in den Bäumen. Während ringsum alles karg wird, hält sie ihr Grün. Die Mistel wurzelt nicht im Boden. Sie geht ihren eigenen Weg und lebt zwischen Himmel und Erde. Und genau das macht sie so besonders. Sie ist eine Pflanze der Verbindung und erinnert uns daran, dass Frieden möglich ist. Einen Frieden zwischen Herz und Kopf, zwischen dir und mir und zwischen dem, was war und dem was kommen darf. Mit ihrem schwebenden Dasein hilft sie uns, nach Veränderungen wieder Wurzeln zu schlagen und den eigenen Platz im Leben zu finden.

Schon bei den Kelten galt sie als heilige Pflanze. Sie stand für Schutz, Heilung, Frieden und Verbindung. Und auch für Liebe, denn nicht umsonst lebt bis heute dieser alte Brauch weiter, sich unter einem Mistelzweig zu küssen. Ein Kuss, der mehr ist als eine romantische Geste. Ein Zeichen von Versöhnung und Nähe. Wie passend für diese Zeit im Jahr.
In unserer heutigen Weihnachtsbildsprache zeigt sich dieser Mistelzweig oft anders. Mit roten Beeren und stacheligen Blättern. Botanisch gesehen ist das die Stechpalme. Der Ursprung des Kusses jedoch liegt bei der echten Mistel mit ihren weissen Beeren.
Gerade zur Wintersonnenwende, wenn die Dunkelheit ihren Höhepunkt erreicht, wurde die Mistel seit jeher als Glücks- und Schutzpflanze verehrt. Die Wintersonnenwende ist der Moment, an dem die Nacht ihren Höhepunkt erreicht und gleichzeitig der Augenblick, in dem das Licht beginnt, zurückzukehren. In diesem Jahr ist dies am 21. Dezember 2025.
Die Kelten und Druiden betrachteten die Mistel als Sonnenpflanze. Nicht etwa, weil sie Licht braucht, sondern weil sie es in sich bewahrt. Während die Bäume ihre Blätter verlieren, bleibt sie grün. Für die Menschen früher war das ein klares Zeichen dafür, dass sich das Leben nur zurückzieht und nicht stirbt. Zur Wintersonnenwende wurde die Mistel als Glücks- und Schutzpflanze verehrt. Man hing sie in Häuser, über Türen oder trug sie bei sich, um:
das wiederkehrende Licht einzuladen
Schutz für das kommende Jahr zu erbitten
Frieden ins Haus zu bringen
und Glück zu sichern
Sie galt als Pflanze, die Segen bringt, weil sie zwischen den Welten lebt. Zwischen Himmel und Erde. Zwischen Altjahr und Neujahr. Zwischen Dunkelheit und Licht.
Wenn ich Pflanzen begegne, schaue ich sie nicht nur mit den Augen an. Ich spüre sie und versuche, ihr Wesen zu begreifen. Deshalb ordne ich Pflanzen gerne den Planeten zu. Nicht aus reiner Theorie heraus, sondern aus Beobachtung und Erfahrung. Denn vieles davon ist kaum schriftlich festgehalten und genau das lädt mich ein, tiefer zu tauchen und Zusammenhänge zu erspüren. Ich möchte nicht einfach alles irgendwo übernehmen, sondern es für mich fühlbar und begreifbar machen.

Schaut man die Mistel in der Signaturen-Ebene an, zeigt sie ein vielschichtiges Wesen. Wenn wir nicht rein astrologisch-symbolisch, sondern über die Pflanzensignatur und ihr inneres Sein gehen, trägt die Mistel deutlich Mond- und Saturnqualitäten in sich. Die weissen, fast perlmuttartigen Beeren verweisen auf den Mond, ebenso ihr saftiges, milchiges Inneres und ihre regulierende, ausgleichende Wirkung. Sie arbeitet verbindend und rhythmisch, ganz im Sinne der Mondkräfte.
Gleichzeitig zeigt sie eine klare Nähe zu Saturn. Die Mistel ist immergrün, langlebig, leicht giftig und fruchtet mitten im Winter, wenn vieles andere ruht. Sie wächst an kargen Orten, hoch oben in alten Bäumen und wirkt in ihrer Ausstrahlung eher ernst als verspielt. Als Schwellenpflanze steht sie zwischen Leben und Rückzug und zwischen Sichtbarem und Unsichtbarem, was ein zutiefst saturnisches Prinzip ist.

Dass die Mistel dennoch oft der Sonne zugeordnet wird, hat ihren Ursprung weniger in der Signatur als in der Mythologie. Wie bereits erwähnt galt die Mistel in keltischen Überlieferungen als Trägerin des Lichts, weil sie selbst im dunkelsten Winter grün bleibt. So vereint die Mistel in sich Mond und Saturn in ihrem Wesen und die Sonne in ihrer Symbolik.
Energetisch wirkt sie sanft und tief. Sie begleitet Menschen, die sich zerrissen fühlen, die zwischen zwei Polen pendeln oder den Boden unter den Füssen und gleichzeitig den Blick nach oben suchen.
Auch beim Räuchern zeigt sich ihre Kraft. Sie klärt, verbindet und bringt Frieden in Räume und Gedanken. Gerade jetzt, wenn das Jahr sich dem Ende zuneigt, spüren viele von uns den Wunsch, bewusst etwas abzuschliessen, loszulassen und Raum für Neues zu öffnen.
Oft treten Pflanzen genau dann in unser Feld, wenn wir ihre Botschaft brauchen. Die Mistel fragt dich, wo du freier sein darfst, wo Verbindung heilsamer ist als Kampf und wo Frieden einkehren möchte.
Zur Wintersonnenwende kippt das Licht nicht einfach so abrupt. Man merkt es kaum und vielleicht ist genau das die Weisheit der Mistel. Sie hält das Leben fest und trägt das Licht, ohne es erklären zu wollen. Es ist wohl das, was mich an ihr so berührt. Sie wächst dort, wo man nicht sofort hinschaut und doch ist sie da.
Die Mistel ist keine Pflanze des schnellen Trosts. Sie wirkt dort, wo Tiefe gefragt ist und wo Gegensätze gehalten werden wollen. Vielleicht liegt genau darin ihr stilles Geschenk zur Wintersonnenwende.



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