Und was, wenn sie sprechen?
- Sheila

- 5. Sept.
- 2 Min. Lesezeit

Kürzlich bei der Ernte fragte mich jemand:„Was würden uns die Pflanzen wohl erzählen, wenn sie sprechen könnten?" Hmh, ich musste ein wenig schmunzeln und möchte dir dazu eine Geschichte erzählen.
Vor elf Jahren hatte ich eine Wohnung mit einem grossen, schönen Balkon. In einer Ecke baute ich ein Gestell mit verschiedenen Kräutern. Kurz darauf entdeckte ich in einem grossen Do-it-yourself-Markt einen kümmerlichen Zitronenbaum. Ganz ehrlich, das war nur ein kleines Stängelchen mit drei, vier Blättern. Zu kaufen zum halben vom halben Preis. Er tat mir leid. Wahrscheinlich würde er bald entsorgt werden. Also nahm ich ihn mit. Zu Hause bekam er noch einen farbigen Übertopf, damit er wenigstens ein schönes Kleid hatte, wenn schon kaum Blätter da waren. Ich stellte ihn zu den Kräutern und taufte ihn Hugo.

Er stand dann so da, ich setzte mich zu ihm auf den Boden und fragte:„Und, was brauchst du noch?“ Und dann, umgehend, kam die Antwort: Zink und Silicea. Ich muss dir dazu sagen, dass ich damals 50% in einem Büro und zu etwa 70 % als selbstständige Fotografin arbeitete. Worte wie „Meditation“, „Verbindung“ oder gar „Hellsinne“ waren mir fremd. Hätte ich gehört, er brauche Dünger, hätte ich gesagt, na klar, das weiss mein Verstand auch. Aber Zink und Silicea? Kein Mensch erfindet das mit dem Verstand, wenn der Daumen alles andere als grün ist.
Gesagt, getan: Ich löste die Schüssler-Salze im Giesswasser auf und gab Hugo seinen Apéro. Hätte ich Zeit gehabt, stundenlang neben ihm zu sitzen, ich hätte zusehen können, wie er es geniesst, wie er aufblüht und wächst.
Hugo hat in der Zwischenzeit zwei Umzüge überstanden und ich würde sagen, er ist heute beinahe ein bisschen der Chef im Garten. Von seinem Platz an der warmen Hauswand aus hat er den besten Überblick über das ganze Geschehen. Rechts von ihm steht Finn, ein Zitronenbaum, der gerade bei mir in den Ferien ist, links von ihm ist die kleine Berta, ein Kumquat-Bäumchen.
Wenn es einer Pflanze nicht gut geht, frage ich Hugo, was sie brauchen könnte. Er ist mein treuer, stiller Mitarbeiter im Hintergrund. Er braucht keinen Lohn, nur ab und zu einen feinen Cocktail. Und im Gegenzug liefert er mir seine Zitronen für meinen Apéro Hugo.
Du siehst also, die eigentliche Frage ist nicht „Was würden Pflanzen wohl sagen, wenn sie sprechen könnten?“ Sondern:„Was würdest du hören, wenn du bereit wärst, ihnen zuzuhören?“
Wie das geht? Werde still. Schau die Pflanze an. Frag sie und hör einfach mal hin.
Ob du sie verstehst, ist natürlich eine andere Frage. Ich höre zum Beispiel auch, wenn jemand französisch spricht, verstehen tu ich’s trotzdem kaum. Aber die Sprache der Pflanzen verstehe ich. Nicht immer mit dem Kopf, aber mit dem Herzen. Zuhören ist der Anfang, verstehen kommt mit der Zeit. So wie man auch eine neue Sprache erst lernt, wenn man sich darauf einlässt. Es braucht Geduld und sicher auch ein offenes Herz.
Und wer weiss, vielleicht beginnt auch deine Lieblingspflanze bald zu flüstern, wenn du einfach mal fragst. Und falls du nichts hörst... ein kleiner Cocktail wirkt manchmal auch schon Wunder. :-)



Kommentare