Ein Sommertag als Kräuterfrau
- Sheila
- 27. Juni
- 4 Min. Lesezeit

Ich werde oft für das beneidet, was ich mache. Viele sehen zwar, dass da viel Arbeit drin steckt, haben aber nicht wirklich eine Ahnung davon, wieviel es wirklich ist. Woher auch. Deshalb erzähle ich dir von meinem heutigen Tag.
Wir haben diese und nächste Woche Ferien. Trotzdem heisst das täglich ca 4-5 Std. Kräuterarbeit. Das ist auch voll okay. Ich denke oft an den Sommer 2024, als es bis Ende Juni geregnet hat und mir keine riesige Ernte einbrachte. Also nutzen wir das sonnige Wetter.
Start war heute um 5.45 Uhr im Garten. Auf dem Plan stand nur die übliche Arbeit und zusätzlich die Ernte der Minze. Dies sollte bis Mittag zu schaffen sein. Die geernteten Kräuter werden im Anschluss soweit verarbeitet, dass sie gut trocknen können. Die einen werden dabei zu Bündeln gebunden und aufgehängt, andere werden von den Stängel gerebelt. Selten kann man eine Pflanze gleich so, wie sie ist, zum Trocknen auslegen.
Nach dieser Arbeit mache ich jeweils die Kontrolle von all den Pflanzen, die seit Tagen am Trocknen sind. Täglich gibt es dabei welche, die komplett durchgetrocknet sind, so dass ich sie in Beutel abfüllen und für 24 Std. in die Gefriertruhe legen kann. Bei der Gefriertruhe angekommen, nehme ich erst die Säcke raus, die seit dem Vortrag drin waren. Der Inhalt dieser Säcke wird nun in Lagersäcke abgefüllt.

Bereits ist es 11.00 Uhr. Endspurt mit der Minze, dann sollte es Feierabend geben. Aber kaum gedacht, kommt ein Anruf. Eine wunderbare Seele vom Dorf überlässt mir nach dem Schnitt ihr Frauenmänteli. Nach dem Mittag hole ich den Berg Frauenmänteli ab. Dieses wird zu Bündeln gebunden und zum Trocknen aufgehängt. Der Lohn davon ist dieses schöne Bild, wenn all die 17 Bündel in unserer Laube hängen.

In der Zwischenzeit ist es 16.15 Uhr. Zeit, Feierabend zu machen. Kaum gedacht, klingelt das Telefon ein weiteres Mal. Ein Landwirt teilt mir mit, dass er am Donnerstag ein Bord mähen will, welches voll von blühendem Mädesüss ist. Also, nichts wie hin. Wir ernten 90 Minuten Mädesüss und während mein Partner danach seinen wohlverdienten Feierabend macht, entstängle ich das Mädesüss noch, damit es gut trocknen kann.
Nun ist es 20.00 Uhr. Ich habe mich heute bei einer Tagestemperatur von 32°C dreimal umgezogen und gut vier Liter Wasser getrunken. Mhm, wie war das nochmal mit dem Feierabend am Mittag???
Das ist mein normaler Alltag als Kräuterfrau und dies geht bis August so. Vieles ist nicht planbar. Der heutige Tag ist das beste Bespiel davon. So viele Frauen sagen mir jeweils an den Kursen, sie würden auch mal gerne helfen kommen oder bieten mir an, sie anzurufen, wenn ich Hilfe brauche. Den meisten ist aber nicht bewusst, dass die Erntehochsaison dann ist, wenn die Badi ruft und die Kinder Schulferien haben. Und so ist selten jemand so flexibel, um spontan helfen zu können. Heute hätte ich Hilfe brauchen können. Die Zeit, um noch rumzutelefonieren fehlt mir aber definitiv und ehrlich gesagt, habe ich auch keine Lust, mir anzuhören, was denn bei ihnen auf dem Programm steht. Sorry liebe Frauen, mir fehlt in der Erntezeit einfach die Zeit für Smalltalk. Und so lass ich es jeweils bleiben und mach die Arbeit selbst.
Ich liebe, was ich tue. Sommerferien und süsses Nichtstun geht halt nicht. Und das ist für mich so was von okay. Die Kräutersäcke müssen gefüllt sein. Ohne Kräuter keine Kurse, keine Hausräucherungen, keinen Online-Shop und kein Hoflädeli. Und deshalb gibt es in dieser Zeit auch keine Seelenbänder und keine Hausräucherungen. Mails werden alle fünf Tage mal beantwortet, dann, wenn ich nach 20.00 Uhr und 14 Std. Gartenarbeit noch die Energie habe, den PC zu starten.

Was ich mir wünsche, wäre mehr Verständnis. Nein, ich kann es nicht einfach mal zwei Tage gut sein lassen und nicht ernten. Oder versprichst du mir, dass wir im 2026 auch einen heissen Sommer haben und eine top Ernte bekommen werden? Das letzte Jahr mit dem vielen Regen und der schlechten Ernte machte mir im Laufe des Jahres bewusst, welche Menge an Kräutern ich brauche. Ja es wäre schön, ein wenig Verständnis dafür zu bekommen, dass ich in dieser kurzen Erntezeit von drei Monaten meine Priorität auf die Ernte setze. Da gibt es halt kein spontanes Kaffee in der Badi und auch kein Seelenband für deine Freundin. Hausräucherungen bei 32°C sind auch nicht lustig, denn geh und lüfte nach der Räucherung dann dein Haus.... da kommt kein Windhauch, nichts. Diese Sommerregentage, die es doch hin und wieder gibt, sind dann meine Wohlfühlmomente. Dann wird gemacht, was wegen der Ernte alles liegenbleiben.
Ich jammere nicht, denn ich beneide dich nicht für deine freie Zeit im und am Wasser und in den Bergen. Ich mag es dir gönnen. Ich selbst bin so was von glücklich, wenn ich auch bei 32°C im Garten bei all meinen Schätzen arbeiten kann. Die Ernte an sich ist ja nicht superstreng und keine körperliche Arbeit. Es ist einfach viel Zeit, Fleiss und Schweiss unter der Sonne. Ich vermisse nichts, was andere im Sommer tun. Und es ist ein wunderbares Gefühl, wenn man die Lagersäcke füllen kann. Es ist pure Entschädigung für jeden Tropfen Schweiss.
Und, beneidest du mich wirklich noch?
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